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Rede zum Stadtrat von Oberbürgermeister Nino Haase

Dienstag, 9. Juli 2024
Ort: Kurfürstliches Schloss

Konstituierende Sitzung des Stadtrates
Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Mainzer Stadtrat,

die Tagesordnung räumt mir jetzt nach der Verpflichtung der Mitglieder des neuen Stadtrates und vor der Verabschiedung der verdienten Ratsmitglieder, die heute aus dem Rat ausscheiden – also gewissermaßen in der Zwischenzeit zwischen zwei Ratsperioden – das Privileg ein, ein paar Worte sprechen zu dürfen.

Und ich finde, das in einer Zwischenzeit tun zu dürfen, passt ganz gut. Denn irgendwie hat man das Gefühl, dass unsere Zeit an sich eine Zwischenzeit ist, die an uns alle und an die Politik, zumal die Kommunalpolitik, ganz besondere Anforderungen stellt. Wir nennen diese Zwischenzeit oft etwas sperrig Transformation. Und meinen damit eigentlich nichts anderes, als dass wir eine Zukunft schon am Horizont sehen, in der vieles sehr anders sein wird als heute – sei es wegen der Digitalisierung und KI, sei es weil wir mehr tun müssen für den Klimaschutz, sei es in der Arbeitswelt, sei es die Kommunikation, sei es die Biotechnologie und Medizin oder auch die sicherheitspolitische Weltlage. Eigentlich wandeln sich fast alle Bereiche des Lebens gerade massiv. Das betrifft alle Ebenen des Staates und jeden Menschen und damit besonders die Kommunen vor Ort.

Gleichzeitig haben wir noch keine klaren Antworten auf diesen Wandel, wir wissen noch nicht sicher, wie wir die Möglichkeiten dieser Zukunft bestmöglich nutzen können, wir tasten uns noch voran. Und das macht viele Menschen unsicher und manchen macht es Angst. Weil wir noch keine bewährten Rezepte für die Zukunft haben, ja haben können, ist die Versuchung und die Sehnsucht oft groß, sich umso mehr an die Rezepte zu klammern, die in der Vergangenheit funktioniert haben – und sie manchmal mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Aus Angst, dass wir den Wandel nicht bewältigen, dass alles schlechter wird. Daraus kann schnell eine Schwarzmalerei für die Zukunft werden und ein Sehnen nach der Stabilität von gestern.

Man kann das verstehen. Aber es ist ein Trugschluss. Man kann ein Land, eine Gesellschaft oder eine Stadt nicht auf dem Stand von heute einfrieren. Die Geschichte geht immer weiter. So wie auf die Zeit der Kutsche die Zeit des Autos folgte und Städte darauf reagieren mussten, so folgt nun die Zeit einer Mobilität der Möglichkeiten, von denen das Auto nur eine ist.
Und wenn wir versuchen, krampfhaft an dem festzuhalten, was gestern funktioniert hat, werden wir in Zukunft einfach nur ziemlich hinterher sein und uns ziemlich ärgern, dass andere viel weiter und besser sind.

Das heißt nicht, dass das, was wir gestern getan haben oder heute tun, falsch war, sondern dass es seine Zeit hatte und nun etwas Neues gebraucht wird. Ich würde sagen, wir können vieles von dem, was wir in unserer Zwischenzeit tun und getan haben, auch Zukunftsversuche nennen. Und wenn wir optimistisch sind und mutig Neues probieren, dann werden aus manchen dieser Zukunftsversuche die neuen Standardantworten, mit denen wir dann den Wandel sicher gestalten, ohne durch das Festhalten an den Rezepten der Vergangenheit von ihm überholt zu werden.

Unsere Aufgabe in dieser Zwischenzeit zwischen dem Alten und dem Neuen war in der vergangenen Ratsperiode genau das und sie wird es in der künftigen mindestens genauso sehr sein.

Und ich bin überzeugt davon, dass gerade kommunale Parlamente diese Zukunftsversuche beschließen und dafür um Unterstützung werben können. Denn sie sind in unserer Demokratie die Parlamente, die am nächsten an den Menschen dran sind. Sie sind die Parlamente, die auf eine enorme Bürgerinnen- und Bürgernähe und auch große Bürgerbeteiligung setzen können. Und sie sind die Parlamente, in denen man pragmatisch, an der Sache orientiert, vor Ort und miteinander solche Zukunftsversuche starten und für sie werben kann.

Kommunale Parlamente können mit den Menschen gemeinsam und optimistisch Neues probieren. Und so gewissermaßen von unten den Glauben daran, dass die Zukunft besser werden kann als die Gegenwart, erneuern. Denn dieser Optimismus ist uns in Deutschland abhandengekommen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass er uns unberechtigt abhandengekommen ist.

Wir sehen das in Mainz: wenn wir Mainz vor fünf Jahren mit dem Mainz von heute vergleichen, dann sind gewiss nicht alle Probleme gelöst, aber in vielem stehen wir besser da. Wir haben eine Pandemie überstanden. Wir sind auf dem Weg zu einer Biotechnologie-Weltstadt. Wir sind auf dem Weg, die Mobilität zu verändern, die Stadt grüner zu machen, wir haben neue Stadtquartiere gebaut und den Anteil geförderten Wohnraums bei Neubauprojekten weiter erhöht. Wir haben die Situation für unser Kita-Personal verbessert und neue Kitas in neuer Bauweise gebaut. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Ich bin sicher, dass wir, wenn wir weiter mutig Zukunftsversuche starten, unsere Stadt dann in fünf Jahren noch einmal besser dastehen wird.

Meine Damen und Herren,

an dieser Stelle meiner Rede müsste man normalerweise vielleicht den Bundespräsidenten zitieren, um mit zusätzlich geliehener Autorität über das Gemeinwesen zu sprechen. Aber ich finde, heute passt es noch besser, den Bundestrainer zu zitieren. Denn ich finde, der hat eigentlich am Tag nach dem Ausscheiden die Ruck-Rede gehalten, die alle hören sollten:

"Wenn wir immer nur in Tristesse verfallen und alles ist grau, alles ist schlecht, dann wird sich keiner verbessern, das gilt im Fußball wie in der normalen Gesellschaft. […]

Ich glaube, wenn jeder in seinem kleinen Kreis anfängt, in seiner Straße, dem Nachbarn zu helfen, […] und nicht immer sofort das Negative zu sehen, sondern versuchen, sich zu unterstützen, alle Menschen zu integrieren, willkommen zu heißen und ihnen zu helfen, dass sie sich wohlfühlen und die Menschen für sich zu einen, gemeinsam mit einem selbst an einer besseren Zukunft zu arbeiten […]"

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber ich habe das Gefühl, er beschreibt hier nicht nur, wie das Land wieder aus der schlechten Stimmung finden kann, sondern er beschreibt auch die Motivation für die allermeisten hier in diesem Rat, Kommunalpolitik zu machen.

Und genau deshalb glaube ich, dass wir in diesem Rat und in allen Kommunalparlamenten in Deutschland einen großen, ja vielleicht den größten Teil dazu beitragen können, dass diese Gemeinsamkeit und dieser Optimismus, die Nagelsmann fordert, wieder stärker werden.

Denn den Modus Operandi, wie wir als Gesellschaft dahin kommen, den beschreibt Nagelsmann auch so, wie Kommunalpolitik sein kann und soll:

"Man kann ja immer Probleme sehen. Und wir haben Probleme im Land. Aber man kann immer auch einfach von Lösungen sprechen. […]

Ob die dann klappen oder nicht, das weiß man nicht. Das muss man probieren, Mut haben, Dinge zu probieren. Und wenn es dann nicht klappt […], dann den Mut haben, was Neues zu machen, neue Entscheidungen zu treffen. […]"

Meine Damen und Herren,

es ist kein Zufall, dass Nagelsmanns Appell an die Zivilgesellschaft so viele Parallelen zur Kommunalpolitik hat. Das liegt nicht nur an der Nähe zwischen Parlament und Bürgerinnen und Bürgern hier direkt vor Ort. Es liegt vielmehr daran, dass in diesem Parlament Bürgerinnen und Bürger sitzen, Ehrenämtler und Ehrenämtlerinnen, die genau das tun wollen, was Nagelsmann fordert: gemeinsam Probleme lösen, dem Nachbarn und der Nachbarin helfen. Denn die kommen eben mit ihren Problemen, aber auch eigenen Lösungsideen zu Ihnen. Lassen Sie uns das gemeinsam nutzen.

Mainz ist eine besondere Stadt mit einem besonderen Miteinander und deshalb sehen Wahlergebnisse in Mainz vielleicht auch so anders aus als in vielen anderen Kommunen. Und vielleicht ist Mainz gerade deshalb auch besonders gut geeignet, mutig neue Lösungen auszuprobieren und als Gemeinschaftsprojekt Zukunftsversuche zu starten und sie zu neuen Antworten auf den Wandel werden zu lassen.


Ich freue mich darauf, dies gemeinsam mit Ihnen in den kommenden fünf Jahren zu machen und die schönste Stadt der Welt noch ein bisschen schöner zu machen. Und Lösungen zu finden, die den Menschen ein bisschen von der Gewissheit zurückgeben, dass die Zukunft besser sein wird als die Vergangenheit. Anders, aber eben dadurch nicht schlechter.

Allen, die heute aus dem Rat ausscheiden und die ich gleich dafür ehren darf, will ich herzlich für ihren Einsatz danken. Sie haben mit großem Engagement Mainz besser gemacht und um den richtigen Weg dafür demokratisch gerungen. Genau das ist das Erfolgsrezept der Demokratie, dass wir Ideen austauschen, dass Ideen konkurrieren, dass Ideen auch korrigiert werden und so am Ende die beste Lösung herauskommt.

Das ist nicht leicht. Es kostet Kraft und Zeit. Und wir wissen, dass der immer roher gewordene politische Diskurs es nicht einfacher oder schöner gemacht hat. Aber es ist das Fundament unserer Demokratie. Und ich darf Ihnen im Namen der Bürgerinnen und Bürger und der Verwaltung dafür danken.

Ich weiß, Sie alle werden Mainz weitergestalten. Und ich bin sicher, dass wir gemeinsam als Stadt in den kommenden fünf Jahren viele sehr gute Lösungen und Rezepte für die Zukunft finden werden.

Ich freue mich auf dieses optimistische Mainzer Miteinander.

Landeshautpstadt Mainz
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